Dienstag, 16. Juli 2019


Folge 9

Im Spätherbst steht plötzlich Vincenzo vor der Tür. Ich bin völlig eiskalt erwischt worden und stelle ihn meinem Chef als guten Freund aus Italien vor. Mein Chef, der nicht aufgegeben hat mich zu begrabschen, ist sichtlich erschrocken über dieses Testosteronpaket. Er gibt mir spontan frei. So verbringe ich ein heißes Wochenende mit meinem italo lover.
Am Montag fragt die Chefin, warum der Alte so schlecht drauf ist. Keine Ahnung. Sie war wieder das ganze Wochenende unterwegs. Aber sie macht Umsatz.
An Ostern bin ich wieder am Gardasee. Im Hotel von Mama. Die darf aber nicht wissen, dass ich was mit ihrem Sohn habe. Ein prickelndes Versteckspiel, es macht richtig Spaß.
Vincenzo ist sehr aufmerksam und liebevoll. Da er erst spät aus der Küche kommt, ist er oft sehr müde, da gehen wir nicht so oft aus. Er kommt dann leise in mein Zimmer geschlichen und wir knuscheln die ganze Nacht. Herrlich.
Er achtet aber auch darauf, dass es mir nicht fad wird. Er schickt mich in die Oper von Verona. Da bleibt einem die Luft weg, so schön kann klassische Musik sein. Die Bustouristen sitzen meistens auf den teuren Plätzen. Unten im Parkett sogar rotsamtene Sessel, weiter oben sind es dann Klappstühle. Ich habe einen Platz auf den aufgeheizten Steinstufen. Beim Volk, Popolo. Hier sitzen vorwiegend Italiener, Einheimische. Die erscheinen hier mit vollen Picknickkörben und Wein. Sie sind alle sehr nett und laden mich auch auf ein Gläschen und ein paar Trameccinis, Sandwiches, ein. Eine kippt mir ihr volles Glas Wein von hinten ins Genick, macht nix, is ja noch mehr Wein da.
Als der Kapellmeister die Arena betritt wird es still und alle zünden eine mitgebrachte Kerze an. Gänsehaut. Der Meister begrüßt den ersten Geiger und dann geht es los.
Die Italiener sind seht textsicher und singen alle Arien mit. Jeder ein kleiner. Caruso oder eine Callas. Auf der Bühne ist das Hauptspektakel, um mich herum sind die vielen kleinen Bühnen mit ihren jeweiligen Hauptdarstellern. In der Pause wir dann vor der Arena und auf den Toiletten weiter geprobt. Nach der Oper geht es zum Essen. Rund um die Arena gibt es ein Anzahl Restaurant mit Tischen und Stühlen davor. In jedem dieser Restaurants wir ein großer Tisch für das Ensemble freigehalten. Nach einer gefühlten Ewigkeit erscheinen die Künstler dann und alle erheben sich und klatschen nochmal laut Beifall. Welches Restaurant sie dann tatsächlich wählen, weiß niemand im Voraus. Hat man Glück, Sitz man dann direkt neben Carmen oder Aida samt ihrem Pharao.
So gegen 3 Uhr in der Nach löst sich das Ganze dann auf. Die hartgesottene gehen jetzt noch mal tanzen. Ich muss ins Bett.

Es sind oft Busgruppen in der Villa und Vincenso verhandelt mit den Busfahrerern, dass die mich mitnehmen. So lerne ich die Umgebung auch gut kennen. Italien gefällt mir immer besser.
Zurück im Hintertaunus fragt mich mein Chef, ob ich den Itaker noch habe. Was geht das den an. Ich erzähl das der Chefin, die stutzt . Jetzt wisse sie, warum der so scheisse drauf ist, er hat schon von Anfang an ein Auge auf mich geworfen, das wusste sie, auch das mit der Messe und dem Hotel, schließlich mache sie Buchhaltung, hahaha. Sie kennt aber auch seine körperlichen Schwächen und hat sich daher keine ernsten Gedanken gemacht. Ich soll doch bitte weiterhin gute Miene zum Spiel machen und ihr den Rücken freihalten. Es wäre ja wohl auch in meinem Interesse den Laden zu halten.  Na gut, mach ich.
Ich kann den nächsten Urlaub kaum erwarten.
Am Gardasee gibt es Neuigkeiten. La Mama ist krank und die Kinder bewirtschaften das Hotel in eigener Regie. Diesmal fahr ich mit meinem Auto, da ich über München fahre und mit Chef und Chefin einen Abstecher auf das Oktoberfest mache.
Oktoberfest ist toll. Alle Menschen in Tracht.  Herausgeputzt, mit allen Assessors. Hütchen, Schirmchen, Kettchen, Täschen, Schuhchen, Strümpfchen. Der Rocksaum ist bei einigen bedenklich hochgerutscht, man kann die Ansätze der halterlosen Strümpfe sehen, Skandal. Wir sind von einem namhaften Trachtenhersteller eingeladen und haben eine Loge im angesagtesten Bierzelt. Viele Prominente sind da, unglaublich. Und ich mittendrin. Die saufen wie die Pferde, ich wusste nicht, dass so viel Flüssigkeit in einen Menschen reingeht. Ich kann das nicht, mir ist schlecht, das Dirndl viel zu eng, alles zu laut, ich kann nicht mehr freundlich sein, wenn mich einer anlangt. Die Cheffin merkts, komm mal mit, ich muss auf die Toilette. Sie schleppt mich raus und fragt, was los ist. Ich sag’s ihr. OK, pass auf, Du kotzt jetzt das ganze Bier raus, dann gehts besser.- Hää. Aber zach zack hat sie mich in eine Kabine gezerrt. Steck Dir den Finger tief in den Hals, Hä? Ich den Finger in den Mund, sie packt mich von hinten und drückt mir den Magen zusammen. Ich denke an die beiden Jäger. Ohhh mein Gott, ein großer Strahl Mageninhalt schießt aus meinem Rachen. Wie ekelhaft. Sie grinst mich an, das ist der Trick Mädel. Ich hab weiche Knie. Sie putzt mir dem Mund ab und schleppt mich an den Tisch zurück. Unterwegs noch ein paar Tipps: schieb dein Glas immer in die Mitte vom Tisch und nehm immer das, wo am wenigsten drin ist. Wenn keiner schaut, kipp das Bier unter den Tisch oder dem Nachbarn ins Glas. Hast Du echt geglaubt ich kann saufen wie ein Pferd. Jetzt bestell ich Schnaps, damit schießen wir die Kerle ab. Kipp deinen Schnaps unter den Tisch. Wenn die dann ferdisch sind, machen wir uns noch einen schönen Abend, und blinzelt mir zu.
Gesagt, getan. Eine Stunde später liegen sich die Männer selig, gröhlend in den Armen, oder auch schon mal mit dem Kopf auf dem Tisch und die Chefin und ich verschwinden lautlos.  Die Wiesen hat noch mehr zu bieten als Biersaufen. Fahrgeschäfte und andere Vergnügungen. Wir gehen an eine Schießbude. Die Chefin, erstklassige Schützin, räumt den Laden ab. Sie verschenkt Rosen an einige junge Burschen. Der Inhaber ist not amused und verweigert ihr weitere Munition. Wir nehmen unsere Teddybären, Plüschmurmeltiere, Blumen und ziehen mit unserem Fanclub zum Käferzelt. Die jungen Kerle sind zwar auch angetrunken, aber irgendwie nicht so unangenehm, wie die alten Säcke. Sie flirten mit uns und ich hab einen riesen Spaß. Die Chefin und ich sind jetzt per Du. Das Leben mag mich.  Gegen Mitternacht gehen wir schweren Herzens zurück ins Zelt, zum Chef und den anderen. Er liegt einem farbigen Kellner in den Armen und beteuert, er sei kein Rassist. Da schau her, seid wann ? Die anderen Herren schauen uns mit blutunterlaufenen Bassetaugen an, sehen uns aber wohl nicht richtig. Der Blick ist traurig, wie hilfesuchend. Eine Bank ist vollgekotzt. Hier beenden wir für die Herren den Abend und bestellen Taxis. Die Chefin schläft in dieser Nacht bei mir, sie hat keine Lust auf das Schnarchkonzert und all die Geräusche, die ein volltrunkener Mann von sich gibt. Sie ist 10 Jahre jünger als er, sie weiß nicht, wie lange sie das noch aushält. Sie hätte gerne Kinder gehabt, aber er kann wohl nicht zeugen. Seine erste Frau hat von ihm auch keine Kinder, aber vom zweiten Mann. Obwohl sie da schon über 40 war. Ein süßes Mädchen.

Morgen geht es weiter

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