Folge 4
Ludwig Erhard war Kanzler, der alte Masshalter. Die ersten
Selbsbedienungsgeschäfte eröffneten, Latscha, Schade. Unglaubliche
Errungenschaften.
1964 ist mein Opa gestorben und 1965 meine Oma.
Auch meine Eltern gingen neue Wege. Mein Vater hatte eine
Assistentin, die ihm auch bereitwillig im privaten Bereich assistierte, keine
Wiederworte gab und alles abnickte.
Meine Mutter war sehr gekränkt, hat sich aber bald entschlossen
ihr Leben ab nun selbst zu gestalten. Scheidung, Neuer Job, neue Wohnung, neue
Freunde. Es waren die 68er und sie war noch jung. Mir war das alles zu neu. Ich
war Teenager und in der Pubertät. Ich dockte mich an eine meine Tante an, die seit
ewigen Zeiten verheiratet war, aber kinderlos. Diese beiden lieben Menschen
hatten ein solides Leben, nicht so ein Sodom und Gomorrah wie meine Eltern. Die
fuhren jetzt auch immer an den Gardasee, aber in eine kleine Pension mit
Familienanschluss. Sie waren ein liebes Pärchen, gingen auch liebevoll
miteinander um. Ob es an der Anpassungsfähigkeit meiner Tante lag, oder die
beiden waren so friedlich gestrickt. Sie hatten beide im Krieg ihre Partner
verloren, vielleicht waren sie daher für die Partnerschaft mit dem anderen so
dankbar. Krieg hatten die genug erlebt. Mein Onkel war in Gefangenschaft auch
in Italien und es muss die Hölle gewesen sein. Aber er hat den Leuten
verziehen, es waren andere Zeiten gewesen und Mussolini war weg, hoffentlich
mit Hitler in der Hölle.
Während mein Vater nun mit seiner Neuen weiterhin Altes besuchte,
Rom, Florenz, Sizilien, Neapel, später dann andere antike Plätze am Mittelmeer,
folge meine Mutter dem Ruf der Freiheit und sie verbrachte die Urlaube in FKK
Siedlungen. Immer und überall nackt.
Jugoslawien war da angesagt. Da gab es eine Insel, nur für Nackte. Sie
betrachtete jetzt schöne, echte, nackte Körper, keinen kalten Marmor von
Rafael, Michelangelo oder Botticelli.
Die Amis sind 1969 auf dem Mond gelandet. Die Russen vor Neid
grün angelaufen. Damals wurde der Grundstein zur finanziellen Vernichtung der
UDSSR gelegt. Die Russen haben seit der Kubakriese alles Geld in die Rüstung
und Raumfahrt gesteckt. Gesichtsverlust war nicht zu akzeptieren. Die haben in
der Schweinebucht zwar gewonnen, aber sich dann total verausgabt. Mir war das
Wurscht. Ich war Teenager und an allem, außer Politik, interessiert. Meine
Schulkameraden sind ständig zu Demos gelaufen. Es gab deshalb immer Ärger in
der Schule. Mir war das fremd. Wir haben doch eine gute Regierung, die machen
das schon richtig.
Ich fuhr im Sommer weiterhin mit Onkel Fritz und Tante Hilde an
den Gardasee. Da kannte ich mich aus. Die Pension war zwar nicht da, wo unser
Campingplatz war, aber egal, dahaaam is
dahaaam . Der See hat viele Ufer.
Die Wirtsleute waren einfache Italiener, die im Sommer zwei
Zimmer vermieteten. Die beiden Söhne waren aus dem Haus und arbeiteten als
Gastarbeiter in Deutschland.
Hier in Italien trug ich freiwillig mein Dirndl, das unterschied
mich von den anderen, die jede Mode mitmachten. Meine Figur begann nun auch,
sich in ein Dirndl zu formen. Ich hatte das erste Dirndl mit Mieder und Dirndlbluse.
Tante Hilde kaufte mir auf dem Markt einen richtig schicken BH und die kleine
Pracht wurde noch etwas hervorgehoben. Das bemerkten auch die anderen
Jugendlichen. Die Mädchen waren neidisch und die Jungs schleckten sich über die
Augenbrauen. Da beschloss ich, ,,immer nur Dirndl‘‘. Auch den italienischen
Jungs fiel das auf. An der Eisdiele war ich immer umschwärmt, zum Ärger der
Mädels in Miniröcken und Twiggilook. Aber ich war noch zu scheu zum Flirten.
Zu Hause in Deutschland konnte ich das nicht tragen. Gerade auf
dem Land muss Du jede Mode mitmachen,
die Frauenzeitschriften mit Frauennamen vorschreiben. Auch die Modefarben
müssen eingehalten werden. Wenn Du das nicht machst, merkt sofort jeder, dass
Du vom Land bist. Für mich war das nicht einfach. Erstens hatte ich nicht so
viel Geld um mir ständig neue Kleidung zu kaufen und zweitens hatte ich dann
mit 17 eine echte Rubensfigur. Mit diesen Babyspeckpolstern kannst Du keine
knallengen Cordjeans und Hotpants tragen. Selbst diese indischen Flatterhemdchen
sehen aus wie Beduinenzelte, wenn ein Körbchen Größe C -D drunter versteckt
ist. Ich freute mich immer auf den Sommer und die drei Wochen am Gardasee,
meine ganze Üppigkeit in einem Dirndl verpackt. Mein braungebranntes Dekolleté
am Abend durch die Gassen wabern lassen und den einen oder anderen sabbernden
Blick zu erhaschen.
Ich begann im Urlaub nun auch mit Jungs zu reden, habe ihre Witze
oder Andeutungen damals gar nicht verstanden und fand sie daher schlichtweg
doof. So in der Fremde kommst Du schneller mit anderen in Kontakt. Du hast was
zu fragen. Woher kommst Du, wie oft warst Du schon hier, blablabla. Zu Hause
ist das irgendwie schwieriger.
Wenn ich zu Hause mit Schulfreundinnen auf die Kerb, Kirmes,
ging, lungerten wir immer am Autoscooter
rum und blicken kokett herum. Oft hat sich dann ein Junge getraut und gefragt,
ob man eine Runde zusammen im Skooter drehen wollte. Eng aneinandergedrückt in den kleinen Sitzen.
Meist legte der Junge dann besitzergreifend den Arm um die Schulter des Mädchens.
Bei dem Gerempelt hat er einen dann beschützend an sich gedrückt. Das war der
erste Kontakt. Später, wenn man sich traute, hat man gemeinsam irgendwas Süßes
gegessen. Das eine oder andere Pärchen ist dann im Schutz der Wohnwagen zu
Schritt 2 übergegangen. Knutschen und zaghaft anfassen. Manche von meinen
Schulkameradinnen war da schon weiter als ich und die haben Gras geraucht,
Alkohol getrunken. Ich hatte nicht die Traute. Mein Vater und Tante und Onkel
haben mich davor gewarnt. Da wirst du hinter die Hecken gezerrt und dann
passiert es, du bist willenlos und dann schwanger. Also habe ich dieses
Abenteuer mal gelassen. Schwanger, ungewollt, auf dem Dorf, geht nicht. Was
sollen die Leute sagen. Meine Mutter sah das anders und wollte mit mir zum Frauenarzt,
die Pille verschreiben lassen. Ich wollte das nicht, wozu? Wäre mir auch
peinlich gewesen, nackt vor einem fremden Mann und dann noch den Intimbereich
herzeigen, neeee.
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