Samstag, 20. Juli 2019


Folge  12

Ich schaffe das genau ein Jahr, dann ist die Batterie leer. Als ich dann noch merke, dass die Küchenhilfe auch noch Vincenzos Assistentin geworden ist und ihn in den Schlaf singt, während ich an der Bar den Seelentröster für die Buspeople gebe. Da ist Feierabend. Ich stelle ihn zur Rede, er weicht aus, jammert, mi amore...........blablabla
Ich gebe ihm einen Monat, will eine neue Küchenhilfe, männlich und einen Barmann, dass ich auch mal Feierabend habe. Das schaffe er nicht, zu teuer. Das rechnet sich nur in der Saison. Mir egal. Er glaubt jetzt, ich sei zu alt und nicht mehr so belastbar. Dankeschön und adio.
Um ihn nicht gar zu sehr zu blamieren, bleibe ich bis zum Gästewechel am Samstag. Lass aber schön alle Wäsche im Keller liegen. Soll das junge Huhn mal sehen was belastbar ist.
Zwischenzeitlich hab ich die Chefin angerufen und sie holt mich am Bahnhof in Tegernsee ab.
Sie ist mittlerweile auch wieder verheiratet, mit ihrem Chef, von der Assistentin zur Chefin, ein kurzer Weg übers Bett. Sie ist jetzt wohlhabend, arbeitet nicht mehr und macht im Frühjahr immer eine Vitalkur. Ich soll doch mal mitkommen, sie läd mich ein, nach Oberstauffen. Wir machen eine Kneippkur mit Thalassokur. Das ich das noch erleben darf. Jetzt lieg ich auch in der grünen Pampe, bekomme nix zu essen und meine Depression wächst. Obwohl, Abend gibt es ein Glas sauren Weißwein. Auf leeren Magen wirkt der gut und es wird lustiger. Mit unserem Damenkränzchen rocken wir abends die hoteleigene Bar. Machen Karaoke Wettbewerbe und flirten mit den wenigen männlichen Gästen.
Nach der Kur bin ich zumindest 6 kg los und entdecke die Hängebacken, oben wie unter. Altwerden muss man auch erst lernen. Ich hab Heimweh an den Gardasee. Das Licht, die Sonne, die Wärme, die netten Menschen, die essen wenn sie Lust dazu haben. Ich will keinen neuen Mann mehr. Was ich jetzt noch bekommen könnte, muss ich in einigen Jahren pflegen, Purce oder nurce, nein danke.
Die Chefin lässt mich ziehen, sie sei immer für mich da. Leiht mir mal kurz 5000€, ich könne sie zurückzahlen, oder auch nicht, sie sei keine arme Frau.
Ich gehe zurück, aber nach Limone, Miete mir ein Zimmer und schau mich nach Arbeit um. Ich bin noch verheiratet und habe Aufenthalt-und Arbeitserlaubnis
Beim Fremdenverkehrsamt ist eine Stelle frei. Die Leiterin kennt mich und meine Geschichte, wir hatten manchmal miteinander zu tun, wenn sie freie Zimmer gesucht hat. Da mein Italienisch jetzt auch ganz passabel ist, hab ich den Job. Mit Menschen umgehen kann ich gut. Sie hat auch nichts dagegen, wenn ich im Dirndl zur Arbeit komme, das gefällt den Leuten. Die Amerikaner und Chinesen können sowieso nicht zwischen den europäischen Ländern und den dazugehörigen Trachten unterscheiden. Ich bin wieder obenauf, chacka. Wenn eine Tür zufällt, öffnet sich eine neue.
Ich finde sogar eine kleine, möblierte Dachwohnung, 2 Zimmer, Kochecke , Toilette. Bad kann im Haus mitbenutzt werden. Ich hole meine restlichen Kleider bei Vincenzo ab und stelle mit Freude fest, die kleine Nachtigall singt gar nicht mehr. Keine Luft mehr, sie sieht sehr müde aus. Zu allem Glück ist sie auch noch schwanger.
Ich frage Vincenso nach der Scheidung, aber der hat es gar nicht eilig. Na, mir egal, kommt das Balg unehelich auf die Welt. Das war meine Überlegung, später hab ich geschnallt, dass wir eine Gütergemeinschaft hatten. Mir daher die Hälfte von allem gehört, leider auch die Schulden. Ich gehe, verzichte blöderweise auch auf Unterhalt. Es ist immerhin meine Erste Scheidung von einem Schlitzohr. Mein Wolfgang war damals einfach loyaler, ehrlicher.
Im Touristenbüro lebe ich mich gut ein. Die Arbeit macht Spaß und ich hab geregelte Arbeitszeit, gut bezahlt. Abends auf der Promenade treffe ich oft Leute, denen ich tagsüber weitergeholfen habe, die laden mich dann gerne auf ein Glas Wein oder sogar zum Essen ein. Auch die Kollegen, überwiegend Frauen, sind supernett.
Der Bürgermeister hat etwas in Südtirol gesehen, was er auch haben will. Ein Touristenmuseum. An Regentagen müssen wir mehr Alternativen bieten. Was soll denn das sein? Stellen wir da ausgestopfte Murmeltiere und präparierte Holländer aus? Wir lachen uns kaputt, aber der Bürgermeister meint es ernst.
Gina und ich fahren nach Südtirol und checken dieses Touristenmuseum. Gar nicht so schlecht. Es wird über die Region informiert, die Bräuche, das Essen, die Geschichte. Einige Touristen erzählen in Briefen und Bildern, was ihnen hier so gut gefällt. Das kopieren wir.
An der Uferpromenade steht ein altes Kaufhaus, zweigeschossige, mit großen Schaufenstern. Das soll es werden. Der Laden ist eh pleite. Die Outletriesen graben jedem kleinen Laden das Wasser ab. Wir recherchieren und holen uns Exponate aus dem Heimatmuseum. Stöbern in Archiven herum und finden auch brauchbare Sachen.
Dann geht es an die Touristen. Aus den alten Zimmernachweisen suchen wir Stammgäste raus. Schreiben die an und fragen nach Fotos und Anekdoten. Vor allem von früher. Eine Lawine der Bereitschaft überflutet uns. Die meisten hoffen natürlich auf eine Einladung. Soweit haben wir nicht gedacht.
Nach gut zwei Jahren Vorbereitung können wir eröffnen. Ich selbst hab mein Dirndl, Größe 36, gestiftet und die netten Erinnerungen in eine Fotoserie gepackt. Mein Dirndl prangt jetzt auf einer schlanken Schaufesterpuppe, direkt neben dem Eingang. Ich bin stolz auf mich.
Außerdem haben wir holländische Holzschuhe, mit lustigen Geschichten aus dem flachen Land. Wir haben sogar britische Teetassen, schottische Röcke, die hier wohl niemand getragen hat. Ein Stück Stein der Berliner Mauer, da die Leute nach der Öffnung als erstes hier hin gefahren sind, mit dem Trabi. Viele ,viele Fotos und tausend Fotos von dem unvergleichlichen Blick, wenn man aus den Bergen kommt und den See in voller Länge vor sich hat. Auch ein paar selbst gemalte im Oel oder Aquarelle. Junge Leute schleppen alte Surfbretter an und erzählen von den gefährlichen Winden, die unberechenbar sind.
Eingeladen haben wir niemanden, wo will man anfangen, wo ist Schluss?  Aber allen, die etwas brauchbaren beigesteuert haben, haben wir ein Dankschreiben und einen Gutschein über 30€ zugeschickt. Den können die beim nächsten Urlaub einlösen.

Morgen ist Endspurt

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