Montag, 8. Juli 2019



                                                      Folge  2
In Opas Krautgarten war es auch immer schön. Er werkelt rum und ich kann machen was ich will. Blumen pflücken, Beeren direkt vom Stauch essen, ohne sie vorher zu waschen. Wenn Mama das wüsste. Wir sind immer mit einem Leiterwagen in den Garten. Opa war mein Kutschpferd und ich die Prinzessin in der Kutsche. 
Oma hat die Ausbeute aus dem Garten später dann verarbeitet. Hunderte von Einmachgläsern und Marmeladegläsern stehen im Keller, ordentlich aufgereiht und beschriftet. Die Kirschen und Pflaumen waren meine Favoriten, diese Gemüsegläser eher weniger. Aber, keine Chance, das war gesund und Oma hat meistens eine dicke Sauce dazu gezaubert, dann war das Gemüse auch genießbar. Zum Nachtisch gab es dann lecker Pudding mit Obst. In der damaligen Zeit gab es noch keine Kalorien, die wurden erst später erfunden.
Opa hat dann abends meine Hausaufgaben schnell gemacht, weil ich zu müde war. Meine Lehrerin hat das irgendwann mal bemerkt und in mein Heft geschrieben , ich solle meinem Großvater ausrichten, er soll ab und zu mal nachrechnen oder im Duden nachschlagen. Opa hat nur gelacht. Mama war entsetzt. 
Die anderen Kinder waren neidisch auf meinen Opa. Der war im Krieg verwundet wurden und bekam schon früh eine Rente, deshalb musste er nicht mehr arbeiten und hatte Zeit für mich. Mit kleinen Gelegenheitsarbeiten besserte er die Haushaltskasse auf.
Im Herbst brannte er mit seinem Spezi Schnaps, von gesammeltem Fallobst. Das war immer aufregend, weil es verboten war, Schwarzbrenner.
In einem Kellergewölbe hatten die beiden diese aufregenden, blubbernden Geräte. Kupferkessel, spiralförmige Leitungen und Ballonflaschen. Außerdem unzählige Kübel, in denen das Obst erst mal vor sich hin faulte. Ekelhaft. Man redete von Maische. Das war alles sehr geheim, wie bei Hexen. Keiner dürfte zugucken. Ich erinnere mich gut an den Tag, als was schief lief. Die beiden standen den ganzen Tag im Keller in diesem Alkoholdunst, da waren sie immer ein bisschen torkelisch. Aber an diesem Tag haben sie auch noch das Ergebniss getestet, sprich, frisch durchgelaufenen Schnaps getrunken. Sie krochen auf allen vieren aus dem Keller und kippten ständig um. Außerdem könnten sie nichts mehr sehen. Unser Dorfarzt diagnostizierte eine ordentliche Alkoholvergiftung. Opa war tagelang krank. Oma hat die Gerätschaften konfisziert und beschlossen, dass ab jetzt kein Schnaps mehr gebrannt wird. Einige Dorfbewohner waren jetzt sehr traurig.
Durch den Zusatzverdienst meiner Mutter konnten wir uns schon Anfang der 60er Jahre einen Urlaub in Italien leisten. Papa wollte in die Berge, oder schöne alte Städte besuchen, Kunst und Kultur. 
Mutter wollte ans Meer, tagsüber in der Sonne brutzeln, romantische Sonnenuntergänge, abends exotisch essen und dann Musik und Tanz.
So haben sie sich auf den Gardasee geeinigt, da gibt es alles, Berge, Wasser, Kultur. la Dolche Vita .
Wer schon mal am Gardasee war, hat bestimmt schon mal dieses Gefühl gehabt, „ich bin im Land der Zitronenblüte angekommen“.
Wenn man am oberen Teil des Sees aus den Bergen kommt und hat den gesamten See in voller Länge zu Füßen liegen. Kitschig ist der Ausblick, zwischen einigen Zypressen blinzelt der See heraus und verspricht mediterranes Leben.
1960 war das wie eine Mondlandung. Du hast diese Dinge nur beim Friseur in bunten Zeitschriften bestaunt. Palmen, Kakteen, eigenartige Gebäude, Uferpromenaden, Eisdielen, fremde Gerüche aus den Gaststätten, exotisches Obst und Gemüse. Damals gab es keine Reiseberichte im Fernsehen, wo man sich auf fremde Länder und Leute einstellen könnte.Papa hat wochenlang Reiseführer studiert und Landkarten mit dem Zirkel durchlöchert. 
Da unsere Urlaubskasse messerscharf kalkuliert war, wohnten wir auf einem Campingplatz. Das war eine deutsche Kolonie. Deutsche VW Käfer und Opel Rekord parkten unter schilfgedeckten Pergolas ( Pergolen??)  Die Zelte standen, zumindest in den ersten Jahren, wild aufgestellt, auf dem knochenharten Kiesboden, direkt am See. Eine echte Herausforderung für einen Schreibtischtäter, wie meinen Vater. Zwei zarte, linke Hände und keine Ahnung von Technik. Ein Möbelstück entwerfen, zeichnen und dann vom Schreiner bauen lassen, war etwas anderes, als mit den Tücken eines Zeltes mit seinen zusammensteckbaren Stangen, die im richtigen Moment dann auseinanderfielen. Das ganze bei leichtem Wind. Im Nachhinein weiß ich, warum wir den Krieg verloren haben. Mein Vater war im Krieg bei den Pionieren, na Bravo.
Mit dem Charme meiner Mutter hatten wir dann sofort Kontakt zu unseren Nachbarn, die nur darauf gelauert hatten, dass ein Greenhorn auftaucht, sich voll blamiert und dann geholfen wird. Klar, degen ein paar kalte Getränke. Später haben wir dann auch an den typischen An-und Abreisetagen auf die Neuen gewartet und uns schepp gelacht. Lässig im Campingstuhl, mit einem deutschen Bier in der Hand, also die Männer.  Das schweißt in der Fremde zusammen. Es gab auch ein paar Österreicher, die wir misstrauisch beäugt haben. Wer kümmert sich denn jetzt um die Kühe auf der Alm? Und die deutschen Touristen in Österreich? Das Weltbild war damals ein anderes. Wir glaubten alle Österreicher haben einen Kuhstall, eine Alm oder eine Pension. Das die auch Ärzte, Ingenieure. Geschäftsleute haben, könnten wir uns nicht vorstellen. Wir hatten die Vorstellung, dieses Land hinkt noch hinter der Entwicklung her. Ein beliebter Witz war : ,, was tust Du, wenn morgen die Welt untergeht? Einer will noch mal wilden Sex, einer sich betrinken, einer einen Porsche fahren. Der clevere geht nach Österreich, denn die sind immer ein paar Jahre hintendran‘‘ . Hahahaha
Was uns Deutsche und die Österreicher verband, war der Fable für die typische Bekleidung. Die Buben trugen kurze Lederhosen und die Mädchen Dirndl. Das war praktisch, vor allem für die Mütter von Jungs, eine Hose für den gesamten Urlaub. Ach was den ganzen Sommer.  Ferdisch. Bei den Dirndln brauchte man, mit etwas Glück,  nur die Schürze mal waschen. 
In der damaligen Zeit tat man sich schwer mit neuen Dingen. Angefangen beim Essen. Es gab so gut wie keine Kartoffeln in Italien. Papa ist fast verzweifelt. Reis. Bei uns eine Art Diätessen, zum Entwässern und Abnehmen, damals ! Nudeln, die so lang waren, dass man sie nicht auf die Gabel bekam. Pizza, haha,  -Kuchen, der nach Tomaten schmeckte. Nun, das war Abenteuer. Exotisch.
In den lebhaften Gassen der kleinen Orte am See war das pralle Leben. Lautstarke Märkte, wo Schwein am Spieß gebrutzelt wurde. Leider ohne Kraut, Knödel und Sauce. Auch wurde exotisches Gemüse angeboten. Das haben wir lieber mal nicht probiert, dunkelviolette, glänzende Eierpflanzen. grüner Blumenkohl. Die Wurst und der Schinken hängen an den Stangen der kleinen Marktständen und trocknen und schimmeln vor sich hin, unglaublich.
Melone hat uns überzeugt, etwas anstrengend mit den vielen Kernen und dem Saft, aber auf dem Campingplatz, in Badehosen, geht das. Kerne in die Gegend gespuckt, nach dem Essen komplett in den See getaucht und den klebrigen Saft abgespült.
Tja, und das Brot. Es gibt kein gutes Brot in Italien. Nur weißes, geschmackloses Zeug, mit viel zu großen Löchern.
Die Profis und die, die vorher wen gefragt hatten, haben Sauerkraut, Würstchen, Linsensuppe, Erbsensuppe, Kartoffelsuppe, Kohlrouladen, Gulasch, alles in Konserven, dabei. Und Lieken Urkorn, Schnittbrot. Damit war die erste Woche gesichert.
Wir hatten niemand gefragt und mussten Wochen lang die schlechte Laune von Papa ertragen.
Ich bin mit meinem Dirndl auf dem Campingplatz herumgelaufen und wurde sofort als Deutsche erkannt. Man hat mich dann auf ein paar Frikadellen oder Gulasch mit Nudeln, die vor dem Kochen mundgerecht zerbrochen wurden, eingeladen.
Unser Tagesablauf war geregelt, wie zu Hause. Aufstehen, zum Wasch-und Toilettenhäuschen gehen, Frühstück machen, frühstücken, danach abwaschen. Zelt aufräumen.  Dann war Urlaub. Bis zum Mittagessen. Außer wir sind in eine andere Stadt gefahren.
Papa will jeden Tag in eine andere Stadt, einen Dom, einen Platz etc zu erkunden und Fotos machen. Meistens müssen wir mit. In der ungewohnten Gluthitze im Käfer ohne Klimaanlage. Ich sitze ständig in einer Schweisspfütze. Mein Dirndl hat dunkle Stellen unter den Achseln. Dankbar wenn es in ein Museum geht, die haben oft einen kühlen Gewölbekeller. Aufgrund des guten Essens, wir essen ständig Pizza oder Nudeln und Italienisches Eis, ist Mutti dann in Verona aus den Nähten geplatzt. Der Reißverschluss ihres Dirndls hat aufgegeben, irreparabel . Sie kaufte sich ein neues Kleid. Bunt, mit tiefem Rückenausschnitt und sehr weitem Glockenrock.  Ein Traum. Ich beschließe ab sofort jetzt mehr zu essen. Ich will auch so ein Kleid. Es hat aber nix geholfen, auf der Heimfahrt durch Österreich hab ich dann ein neues Dirndl bekommen, zwei Nummern größer, da kann ich übers Jahr reinwachsen. So ein Mist.
Venedig war auch sehr interessant, keine Straßen nur Kanäle, die in der Sommerhitze üblen Geruch ausströmten. Und erst der Fischmarkt. Es gibt Meeresgetier, das sehr fremd daherkommt. Ich hatte vorher noch nie einen Tintenfisch gesehen. Rosa bis braun, mit großen Noppen, langen schlangenartigen Armen, ekelhaft. Das essen diese Menschen. Oder das ganze Viehzeug mit langen Beinchen und Gartenscheren als Greifer. Krebse und Langusten heißen die. Außerdem Muscheln und Meeresschnecken. Schön anzusehen, oder als Halskette, aber essen, neeeee.
Der Rest von Venedig war sehr schön. Gondoliere, die ständig singen und ihre Bootchen durch die Stadt, die Kanäle, staken. Größere Boote, die unsere Straßenbahnen ersetzen und uns von A nach B bringen. Auch nach Murano. Da wird Glas gemacht, geblasen, bunt und filigran. Ich bekomme einen Schwan gekauft, der leider schon bald den Hals verliert. Kein Kinderspielzeug. Unpraktisch.

Auf dem Marcusplatz sind tausende Tauben, die man füttern oder jagen kann. Manche sind mutig und fressen aus der Hand. Findige Venetianer verkaufen Taubenfutter und ich glaube, diese mutigen Tauben, die aus der Hand fressen, können gar nicht mehr fliegen. Die sind zu fett um abzuheben. Ein italienischer Kaffee auf diesem Platz ist fast unbezahlbar. Man muss die Aussicht und das Flair mitbezahlen, sagt Papa.

Morgen geht es weiter 😃

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