Die Küche wurde auch renoviert und Vincenzo hat einen Koch und
eine Küchenhilfe eingestellt. Sind zwar
Marokkaner, egal man sieht es kaum und er kann kochen und ist mit
weniger Gehalt zufrieden. Hat auch noch einen Neffen, der hilft mit, wenn es
brennt, ist aber illegal hier. Das merkt keiner, ob da einer oder drei
Marokkaner in der Küche wuseln. Die wohnen in dem kleinen Gartenhaus hinter dem
Gemüsegarten. Duschen und Toiletten sind im Keller für die Angestellten. Vincenzo hat ein Zimmer unter dem Dach für
sich eingerichtet. Sehr klein, aber mit großem Bett. Mehr brauche er nicht. Das
Hotel läuft gut. Samstags kommt der Bus, läd die Leute aus. Wir haben vier
Doppelzimmer und vier Einzelzimmer. Ich sage schon wir, denn wir wollen bald
heiraten. Da es sich überwiegend um alleinreisende Damen handelt, sind wir mit
den Einzelzimmern sehr gefragt. Die Damen sind hellauf begeistert von einer
deutschen Frau im Dirndl empfangen zu werden. Man spricht deutsch. Steht im
Reiseprospekt.
Kurz vor Weihnachten heiraten wir. Jetzt bin ich Anfang 40 und
Hotelbesitzerin. Wir heiraten im ganz kleinen Kreis. Nur mit Trauzeugen.
Vincenzos Familie ist noch immer angepisst. Meine Eltern halten mich für
verrückt, die haben sich eh nie um mich gekümmert, hatten immer nur eigene
Probleme. Also lad ich die Chefin ein und Vincenso seinen besten Freund
Michele. Durch die Heirat erhalte ich Bleiberecht und Arbeitserlaubnis. Ich
löse meine Wohnung im Taunus auf und zieh mit Sack und Pack unter das Dach der
Villa.
Ich bringe mich und meine Fähigkeiten in den Betrieb ein. Es
fühlt sich wunderbar an, wenn man weiß, dass man alles für sich macht und nicht
für irgendeinen Chef. Es ist unbestritten viel Arbeit, aber wir sind glücklich.
Vincenzo ist überall, vor allem im Service und immer für die Gäste ansprechbar.
Er ist charmant und flirtet mit den Damen. Wenn die Gäste auf den Tagestouren
sind, machen wir die Zimmer sauber. Das ist praktisch wenn man solche
Pauschalgäste hat. Die sind von 10h bis Nachmittag auf Besichtigung. Da haben
wir genug Zeit, auch mal für uns. Das Restaurant ist nur in der Hauptsaison
über Mittag geöffnet. Am Wochenende, wenn Wechsel ist, haben wir noch Hilfe von
zwei Mädchen aus dem Ort, die sich was dazuverdienen. Betten neu beziehen,
Zimmer klar machen. Die Bettwäsche bringen wir in eine Wäscherei. Das ist
praktisch. In der Zwischensaison fahren wir auch mal weg und lerne Venedig von
eine ganz anderen Seite kennen. Diese vielen Inselchen, eine mit diesem
herrlichen Friedhof, San Michele. Auch die anderen sind zum Teil noch sehr
ursprünglich. Die Touristen kennen nur die paar Hauptinseln, die Hotspots. Der
Rest ist weithin unbekannt. Eine Insel hat es mir besonders angetan. Winzig,
nur ein kleines Restaurant drauf und ein Garten voller Kunstwerke. Die
Traghetti, Stassenbahnen, fahren zu dieser Insel, aber nur Eingeweihte steigen
hier aus. Der Anlegesteg ist alt und unansehnlich, aber der Garten dahinter ist
ein Märchenpark.
Auch der Lido ist unbeschreiblich schön. Diese Insel hat sogar
Straßen. Man kann sein Auto von Mestre
mit der Fähre mit hierher nehmen. Es stehen hier unglaubliche Hotels. Das
Westin Grand Hotel ist ein Traum. Die Bediensteten tragen venezianische Rococo
Kleidung, verschwenderische Kleider für die Damen. Samtene Hosen und
Rüschenhemden für die Herren. Hoteleigene Boote bringen die Gäste von Venedig
herüber und gleiten durch einen privaten Kanal zum Anlegesteg, dort erwartet
sie ein Mohr, irgendwie rassistisch. Der sieht Original aus wie der berühmte
Sarottimohr, mit blau-goldenem Turban und Pluderhosen. Das Hotel ist wie ein
Palast eingerichtet, mit Spiegelsaal, Garten, Erkern, Kuppeln und Dachterrasse mit Zinnen, wie ein hochherrschaftliches
Schloss. Die Speisen werden auf sehr teurem Porzellan und Kristall serviert. Am
eigenen Strand stehen arabisch anmutende Pavillons, die mit feudalen Möbeln
bestückt sind. Ein eigener Bootsanleger bietet alle Möglichkeiten für elitären
Wassersport. Der Preis ist auch phantastisch. Eine Nacht kostet so viel, wie
eine ganze Woche in unserem kleinen Etablissement. Wir staunen und übernachten
in einem anderen Haus.
In unserer Villa läuft es super. Am Anfang des nächsten Jahres
bittet der Steuerberater um ein Gespräch. Die Einnahmen decken nicht die hohen
Belastungen. Hää. Vincenzo hat alles auf Kredit gebaut. Da das Haus aber nur in
den Schönwettermonaten ausgebucht ist, reicht es hinten und vorne nicht. Ob wir
denn gar kein Eigenkapital hätten, um umzuschulden. Dann hätten wir die
monatlichen Zahlungen reduzieren können. Klar hab ich Geld und er soll das
sofort machen, das mit dem Umschulden. Vincenzo strahlt. Gerettet. Ich erzähl
das der Chefin, die ist entsetzt. Wie kannst Du Deine Unabhängigkeit so einfach
verscherbeln.?.?
Um Kosten zu sparen kaufen wir eine große Industriewaschmaschine
und waschen die Wäsche selbst. Dann wird sie draußen aufgehängt, gemangelt und
fertig. Das mach ich dann abends, oder zwischendurch, wie ich Zeit finde.
Wir leben in unserem Alltagstrott. Manchmal vergesse ich, dass
ich am See all meiner Sehnsüchte lebe. Kaum noch Freizeit. Wenn keine Gäste da
sind, muss renoviert, ausgebessert, ausgetauscht werden. Ich war lange nicht
mehr in Verona in der Arena, wovon alle schwärmen und weshalb die zum Teil hier
sind. Das habe ich vor Jahren einmal gesehen, muss aber keiner von den Gästen
wissen. Manchmal bin ich auch einfach froh mal nix zu tun. Auch mal im
Liegestuhl liegen, ein Buch lesen oder abends einfach Fernsehen. Vincenzo ist
dann viel unterwegs und schaut was die anderen Hotels und Restaurants so neues
bieten. Trentessen, darf man nicht verpassen. In einem Jahr sind es Bruscchetta
im nächsten Carpaccio, dann mal irgendein Fisch Tartar. Ruccola ist angesagt.
Die Gerichte werden einfacher ursprünglicher, aber teurer. Für unsere
Pauschaltouristen bleibt es beim althergebrachten. Leichtes Essen für ältere
Leute, kleine Portionen, viel Deco und Klimbim.
Die Jahre ziehen vorbei. Wir sitzen wie auf einem Karusell. Immerwieder
die selbe Runde.
Im Sommer arbeiten, im Winter renovieren, reparieren. Mal
ausspannen, mal ein kleiner Ausflug.
Ich frag irgendwann mal nach, ob wir im Winter mal Urlaub machen
könnten. Vincenzo grinst, klar, wir können in den Taunus, hahaha. Mal
umgekehrt. Ich bin not amused.
Ich bin mittlerweile Mitte 50. Die Jahre sind an uns
vorbeigerannt. Unsere Ehe schläft. Aber der Laden läuft. Wir können jetzt über
Rücklagen nachdenken.
Dann passiert es. Ein Sommergewitter reißt uns das Dach vom Kopf,
mitten in der Saison. Wir sind nicht ausreichend versichert. Es muss alles
schnell repariert werden. Die oberen Zimmer sind unbewohnbar. Der starke Regen
hat auch die Decken in den unteren Etagen erreich. Die Tapete hängt in Wellen
herab. Jeder ausgefallene Tag kostet uns doppelt. Keine Einnahmen und
Ausfallentschädigung für den Reiseveranstalter . Und wir fallen 6 Wochen aus.
Keine ausreichende Versicherung. Wir sind pleite.
Den Koch und seine Helfer müssen wir schweren Herzens entlassen.
Dafür stellen wir eine Küchenhilfe ein, eine Bulgarin. Sie war mal Sängerin in
einer Band. Sie trällert den ganzen Tag, Vincenzo gefällt das.
Die Rezeption und den Service übernehme ich.
Es ist unglaublich viel Arbeit, die nie ein Ende anzeigt. Du bist
immer eine Stunde hintendrein. Morgens Frühstück machen, dann die Tische
abräumen und für den Mittag zurechtmachen. Manchmal kommen Tagesgäste zum
Essen. Vincenzo war in der Zeit auf dem Markt, die Küchenhilfe singt und spült.
Dann muss ich die Zimmer machen, Wäsche waschen. Buchhaltung wenn wer innerhalb
der Woche ein-oder auscheckt. Mittagessen servieren, smalltalk.....jaja das
Wetter, blablabla. Nachmittags mangeln,
Wäsche wegsetzen, später die Gäste wieder empfangen und smalltalk..... war‘s
schön? Tolle Fahrt, jaja Verona ist ein Traum...........an den meisten Orten
war ich zuletzt als Kind mit meinem Vater. Die vergangenen Jahre war dazu keine
Zeit mehr.
Nachdem ich das Abendessen serviert habe, warte ich dann an der
Bar auf meine liebsten Gäste. Pauschaltouristen sind pflegeleicht, aber geizig.
Die glauben das sei alles inclusive.
Bei der Halbpension ist Frühstück und Abendessen, inclusive einem
Glas Wein.
Die meisten Sparbrötchen bringen dann ihre Wasserflasche vom
Ausflug mit an den Tisch und verdünnen den Wein bis zur Unkenntlichkeit. Danach
ab ins Bett, oder auf den Balkon und eine im Supermarkt gekaufte Flasche Wein
geköpft. Es gibt aber auch ein paar Schätzchen, die noch einen Espresso und
einen Grappa nehmen. Dann auch noch ein Glaserl Wein. Manche sind dann so
anhänglich und erzählen und erzählen und erzählen, „aufregende“ Begebenheiten
aus ihrem Leben. Mir fallen ab 22 h die Augen zu. Die Küchenhilfe singt nicht
mehr, also ist die auch schon im Bett. Vincenzo erscheint kurz, trinkt einen
Grappa mit den Gästen, natürlich aufs Haus, mir hams ja, dann ist auch er weg.
Ich muss bleiben, bis die letzte Sabbelschnute geht. Gute Nacht Gardasee.
Morgen geht es weiter.......................
Morgen geht es weiter.......................
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