Folge 5
Die Notstandsgesetze wurden verabschiedet, was immer das auch
bedeutet, war aber in aller Munde. Dann war da noch die RAF. Die haben
Kaufhäuser angezündet, Politiker erschossen und Flugzeuge entführt. Was für ein
Irrsinn.
Dafür wurden aber Frauen selbstständiger und selbstsicherer. Erst
1969 dürfte eine verheiratete Frau ein eigenes Bankkonto haben. Hurra, es geht
voran, vielen Dank auch.
Die Studentenbewegung in den Universitätsstädten war auch sehr
aktiv. Es wurde randaliert, Häuser besetzt und BH s verbrannt. Dann noch der §
218, Abtreibung und der § 175 Homosexualität. Ständig wurde irgendwo
demonstriert. Die Polizei fuhr mit Wasserwerfern dagegen an. Ich sah das nur im
Fernsehen, ich würde da nie mitmachen.
Anfang der 70er verließ ich die Schule und begann eine Lehre in
einem Kaufhaus. Einzelhandelskaufmann. Die Arbeit machte mir Spaß, nachdem ich
einige Abteilungen durchwandert hatte und bei den Spielwaren und
Geschenkartikeln hängen blieb. Da musste ich nicht die neueste Mode tragen und
zu Fasching konnte ich mein Dirndl anziehen. Ein paar Herzchen auf die Wangen
gemalt und ich war glücklich. Ich hatte plötzlich eigenes Geld. Ich wohnte noch
bei Mutti, aber die war fast nie zu Hause. Sie war auf einem
Selbstfindungstrip. In Griechenland und später in Indien. Eigentlich sollte ich
immer mit ihr in Urlaub fahren, aber die Leute mit denen sie zusammen war,
waren mir zu fremd. Alles wurde durchdiskutiert, auch ich. Die wollten mich
befreien, von den alten Zöpfen. Ich wollte, dass alles so bleibt wie es war.
Keine Experimente.
Fasching hab ich dann auch meinen Wolfgang kennengelernt. Auf einem Lumpenball in einem Nachbarort. Da war so eine Sektbar.
Nach einigen Tänzchen schleppte mich mein Wolfgang in besagte Bar. Nach einigen
Gläschen Sekt ließ ich mich in einer dunklen Ecke nach allen Regeln
abgrabschen. Ich fand das richtig gut, endlich mal einer, der sich traute, was
auch immer.
Wir trafen uns danach öfter und auf dem Rücksitz seines K70
verlor ich meine Unschuld. Jetzt musste ich doch mal zum Arzt und mir die Pille
verschreiben lassen. Ich wählte einen Arzt in Frankfurt, weit genug weg von
unserem Dorf, dass mich keiner sieht.
Wolfgang war aus dem Hintertaunus. Als wir beschlossen zusammen
zu ziehen, musste ich den Führerschein machen, denn aus diesem vergessenen
Bergdorf, kommst Du ohne Auto nicht raus. Arbeit gibt es dort erst recht nicht.
Nun verbrachte ich täglich, je morgens und abends, 1 Stunde in der Blechlavine.
Zusammen könnten wir nicht fahren, da wir völlig unterschiedliche Arbeitszeiten
hatten.
Der Vietnamkrieg ist endlich zu Ende. Endlich Schluss mit diesen
grauenhaften Bildern, von dürren gejagten Menschen, Bomben und Feuer.
Mitte der 70er heirateten wir und erwarben ein Baugrundstück. Mit
Hilfe seiner buckligen Verwandschaft hat mein Mann dann ein Haus gebaut. Das
ist auf dem platten Land so, man hilft sich. Mit dem Ergebnis, dass man die
nächsten 5 Jahre an den Wochenenden beim Bau diverser anderer Häuser eingeplant
wird. Die Frauen übernehmen das Catering, Kartoffelsalat, Sauerrkraut,
Worschtplatten, Linsesupp mit Rindswörscht, Lebberkäsbrötchen, Bratwurst.
Für mich war das schwierig, zu organisieren, da ich berufstätig
war und das auch Samstags. Da habe ich die Pizza für mich entdeckt. Alle waren
immer ganz heiß auf meine Pizza. Konnte alles gut vorbereitet werden und war
der exotische Knaller. Natürlich an deutsche Geschmäcker angepasst. Zum Teil
sogar mit Ananas, oder Hackfleischsauce obendrauf. Auf keinen Fall Anchovis
oder so exotisches Zeug.
Und so konnte ich einige von denen für den Gardasee
begeistern.die meisten waren noch nie im Urlaub, oder gar im Ausland gewesen.
Im Sommer 1980 fuhren wir mit 8
Personen, 4 Pärchen an meinen Gardasee. Alle in todschicken, hochmodischen
Klamotten, ich im Dirndl.
Da wir alle.finanziell klamm waren, wählten wir wieder den
Campingplatz. Zurück zu den Anfängen.
Der Schock: Der Platz war
jetzt parzelliert, nix mit wild Zelt aufstellen. Ich hatte das alte Zelt meiner
Eltern vom Dachboden geholt. Ich dachte das ist jetzt der Knaller. In den
vergangenen 20 Jahren ist die Weiterentwicklung auch am Campingdesign nicht
vorbeigegangen. Unser Zelt war tatsächlich DIE Sensation. Habt ihr das Ding aus
dem Museum? Das war noch freundlich. Früher war ich immer in den Sommerferien
hier. Da wir alle noch keine Kinder hatten, waren wir nun schon im Juni hier.
Glückwunsch, Regenzeit. Unser Superzelt ist nicht mehr wirklich Regen geeignet.
Mein Wolfgang war stinksauer, alle
hatten schicke Zelte, leicht aufzubauen und wasserdicht. Wir nicht, super
Honeymoon. Aber dank unseres Doppelverdienstes, können wir uns einen dieser
Wohnwagen, die der Campingplatzvermieter anbietet, leisten. Das ist toll. Nicht
mehr im geduckten Zeltgang leben. Es ist nix so schlecht, dass es nicht für
irgendwas gut ist. Sogar eine Chmietoilette ist drin. Kein Ahnung wo der Campingplatzbesitzer das entsorgt, war mir
auch egal. Die Wohnwagen stehen in einem anderen Teil des Campingplatzes.
Abgehoben vom Fußvolk in den Zelten und Schlafsäcken. Das hat meinem Wolfgang
wieder gefallen. Honeymoon gerettet. Unsere unmittelbaren Nachbarn sind
überwiegend Holländer, die mit eigenen Wohnwagen hier sind. Wolfgang ist not
amused , aus fussballtechnischen Gründen, keine Ahnung. Ich bin fasziniert von
denen. Die haben alles dabei, vom Grill bis zum Haartrockner, Bügelbrett und
Bügeleisen, Waffeleisen für die leckeren Waffeln, alles, alles. und die sind
hier noch nicht am Ziel. Die wollen weiter,
ans Meer. Warum auch immer, Wasser ist Wasser . Hier gibt es keine
Quallen. Nicht dass ich schon mal eine gesehen hätte, aber das ist immer die
erste Frage, wenn einer am Meer war. In Venedig roch das Meerwasser außerdem
nicht so lecker. Das kann dann auf der Insel daneben, Jesolo, auch nicht besser
sein.
Fahrendes Volk. Ich dachte immer die müssten schwarzhaarig sein.
Unsere holländischen Nachbarn sind blond, drall, laut, bunt, trinkfest.
Morgen geht es weiter............
Morgen geht es weiter............
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