Sonntag, 21. Juli 2019




Folge 13

Die Eröffnung ist ein rauschendes Fest. Im Museum und davor auf der Promenade. Tische und Stühle aufgebaut, Lampions, Musikanten,  wine and cheese Festival gleich mit aus der Taufe gehoben. Ich bin überall und erzähle und rede mit den Leuten und hab den Spaß meines Lebens. Eine Kollegin erzählt mir später, Vincenzo war auch mal kurz da, der sei alt geworden.  Ich soll froh sein, dass ich den los bin. Ich erinnere mich, ich muss mich um die Scheidung kümmern.
Ich besuche ihn und will nun wissen was los ist. Er will die Scheidung nicht, er will nur mich. Er liebt nur mich. Es tut ihm leid. Schmalz, Schmalz, Schmalz. Die Nachtigall ist bei Nacht und Nebel abgehauen. Schlaues Vögelchen. Ich will aber nicht mehr. Sein Hotel läuft schlecht. Die Kosten laufen ihm weg. Er ist mal wieder am Ende. Nur so, wie der aussieht zieht der keine wohlhabende Frau mehr an Land.
Ich ruf die Chefin an. Die hat das kommen sehen, aber ich sei ja unbelehrbar gutherzig. Sie kommt bald und wir suchen einen guten Scheidungsanwalt.
Scheidung auf Italienisch ist nicht einfach. Wenn einer der Mitspieler die Ehe nicht beenden will, gibt es ständig Aufschübe, Wartezeiten, es zieht sich wie Gummi, bzw. wie guter Pizzateig.

Nach einigen Jahren habe ich es geschafft. Nun geht es noch um das gemeinsame Vermögen. Das Hotel ist verschuldet bis über beide Ohren. Als ich wegging, war es noch nicht ganz so schlimm. Aber nun soll ich auch dafür haften, d.h. zahlen. Nix da. Ein weiterer juristischer Langzeitprozess nimmt seinen Lauf. Erst nach weiteren nervigen Jahren komme ich mit einem blauen Auge, ohne Gewinn oder Verlust aus der Nummer raus. Nur die Anwälte haben dabei gut verdient, es lebe der Vergleich. Ich lad die Chefin ein und wir lassen es richtig krachen. Das beste Restaurant ist uns und danach sitzen wir angetrunken und kichernd, wie die Teenager auf der Piazza. Die Leute aus Limone sehen mich nun in einem neuen Licht. Die Frauen so, die Männer anders.
Ich bewege mich nun aufs Rentenalter zu. Ich muss in Deutschland auch einen Antrag stellen. Zum Glück habe ich alle Unterlagen und es geht reibungslos. Ich gebe meine Kontonummer an und fertig. Mit Behörden hab ich jetzt auch so meine Erfahrung und bin froh, dass Deutschland nicht so kompliziert ist wie Italien. Ich war lange nicht mehr in der Heimat, was ist Heimat? Meine Eltern sind schon viele Jahre tot. Ich war dann immer kurz zur Beerdigung eingereist. Hab den jeweiligen Lebenspartnern versprochen bald mal wieder zu kommen, hat nie geklappt.
In Italien beantrage ich auch Rente, zumindest für meine Jahre beim Touristenbüro.
Da kommt ganz gut was zusammen und ich hab in den vergangenen Jahren gut sparen können, unter der Matratze, dass mein Ehemann nicht dran kommt. Meine Zukunft ist gesichert. Ende des Jahres höre ich auf. Dann wird gelebt. Die Chefin, jetzt verwitwet und steinreich hat mich auf eine Kreuzfahrt eingeladen, Karibik, klingt vielversprechend. Ich bin ja nirgends weiter hingekommen, jetzt geht’s los. Am 2.Januar fliegen wir nach Jamaika,, Große Welt, ich komme".
Silvester feiern wir im Restaurant Paradieso mit der berühmten Schauderterrasse. Das ist oberhalb des Sees, ca 600m über dem See. Eine Terrasse wie eine Sprungschanze auf den See hinaus gebaut. Schauderhaft. Zum Dinner und zur Party lade ich die Chefin ein und wir haben Spaß und freuen uns auf die Kreuzfahrt.
Um Mitternacht gehen wir raus auf die Plattform und betrachten das Feuerwerk von oben, wieder eine neue Perspektive. Wir machen Fotos von uns und mit Freunden.
Später lehnen, nur noch wir zwei, am Geländer und beteuern uns, dass wir schicksalsmäßig zusammengeschweißt wurden, wie Zwillinge. Freunde auf ewig, ohne Zickenkrieg. Frauenpower. Chacka.
Wir sind so übermütig und albern rum. Da will sie, dass ich mich auf das Geländer setzte und winke, wie von der Reling aus. Ich wuchte mich rittlings auf das Geländer und winke wie die Queen. Nochmal und nochmal, ne nochmal mit Blitz, neee Blitz ist nicht gut. Sie fingert an ihrer Kamera rum, in dieser Zeit schlenker ich kokett mit den Beinen und schwups verlier ich den Halt. Hintenüber stürze ich in die Nacht. 600 m,  viel Zeit das Leben an sich vorbeiziehen zu lassen.  Ich sehe meine Eltern, meine Großeltern, Tante und Onkel, Schulfreunde, Wolfgang, mein erstes Auto, dem Trachtenladen, Vincenzo und dann den Gardasee, da schlag ich auf und dunkel wird’s. Die armen Menschen die der Schlag trifft oder die U-Bahn, die können das gar nicht genießen. Ich denke gut nach. Eigentlich hatte ich ein schönes Leben, war aber noch gar nicht fertig damit, hatte noch viel vor. Blöd jetzt isses vorbei.
Als ich zu mir komme, denk ich, och, war gar nicht so schlimm. Hat gar nicht weh getan. Ich schaue an mir runter. Ich hab ein Dirndl an, aber nicht das von Silvesterabend. Es ist das 36er. Wie das jetzt? Ich schau mich um, ich bin im Touristenmuseum, in meinem Dirdl. Ich will raus, geht nicht, ich bin an dieses Dirndl gebunden, magisch oder so. Was ein Mist.
Nach Tagen, es wir hell und dunkel, hell und wieder dunkel, kommt meine Kollegin und sperrt das Museum auf. Die anderen Kollegen kommen auch und stehen fassungslos vor mir, meinem Dirndl. Sie sind erschüttert, man hat mich noch nicht gefunden, ha wie auch Leute, ich bin hier, hiiier. Aber keiner kann mich sehen, ich kann mich nicht bemerkbar machen. Sie reden mit meinem Dirndl als sei ich da, aber ich begreife, die reden mit einer Reliquie.
Meine letzte Hoffnung, wenn die meine Leiche finden, werde ich erlöst. Nix da, die finden mich, beerdigen mich und ich bin immer noch im Dirdl im Museum.
Liebe Touristen, wenn Sie zum Gardasee kommen, gehen Sie in das Touristenmuseum und erzählen Sie mir was. Mir ist sch....langweilig.



Das war eine fast frei erfundene Geschichte. Ähnlichkeiten mit bekannten Personen sind nicht beabsichtigt.
Über ein kurzes feedback zur Story würde ich mich freuen.
Vielleicht gibt es mal eine Fortsetzung.
Gruß und Kuß Cornelia Uta

Samstag, 20. Juli 2019


Folge  12

Ich schaffe das genau ein Jahr, dann ist die Batterie leer. Als ich dann noch merke, dass die Küchenhilfe auch noch Vincenzos Assistentin geworden ist und ihn in den Schlaf singt, während ich an der Bar den Seelentröster für die Buspeople gebe. Da ist Feierabend. Ich stelle ihn zur Rede, er weicht aus, jammert, mi amore...........blablabla
Ich gebe ihm einen Monat, will eine neue Küchenhilfe, männlich und einen Barmann, dass ich auch mal Feierabend habe. Das schaffe er nicht, zu teuer. Das rechnet sich nur in der Saison. Mir egal. Er glaubt jetzt, ich sei zu alt und nicht mehr so belastbar. Dankeschön und adio.
Um ihn nicht gar zu sehr zu blamieren, bleibe ich bis zum Gästewechel am Samstag. Lass aber schön alle Wäsche im Keller liegen. Soll das junge Huhn mal sehen was belastbar ist.
Zwischenzeitlich hab ich die Chefin angerufen und sie holt mich am Bahnhof in Tegernsee ab.
Sie ist mittlerweile auch wieder verheiratet, mit ihrem Chef, von der Assistentin zur Chefin, ein kurzer Weg übers Bett. Sie ist jetzt wohlhabend, arbeitet nicht mehr und macht im Frühjahr immer eine Vitalkur. Ich soll doch mal mitkommen, sie läd mich ein, nach Oberstauffen. Wir machen eine Kneippkur mit Thalassokur. Das ich das noch erleben darf. Jetzt lieg ich auch in der grünen Pampe, bekomme nix zu essen und meine Depression wächst. Obwohl, Abend gibt es ein Glas sauren Weißwein. Auf leeren Magen wirkt der gut und es wird lustiger. Mit unserem Damenkränzchen rocken wir abends die hoteleigene Bar. Machen Karaoke Wettbewerbe und flirten mit den wenigen männlichen Gästen.
Nach der Kur bin ich zumindest 6 kg los und entdecke die Hängebacken, oben wie unter. Altwerden muss man auch erst lernen. Ich hab Heimweh an den Gardasee. Das Licht, die Sonne, die Wärme, die netten Menschen, die essen wenn sie Lust dazu haben. Ich will keinen neuen Mann mehr. Was ich jetzt noch bekommen könnte, muss ich in einigen Jahren pflegen, Purce oder nurce, nein danke.
Die Chefin lässt mich ziehen, sie sei immer für mich da. Leiht mir mal kurz 5000€, ich könne sie zurückzahlen, oder auch nicht, sie sei keine arme Frau.
Ich gehe zurück, aber nach Limone, Miete mir ein Zimmer und schau mich nach Arbeit um. Ich bin noch verheiratet und habe Aufenthalt-und Arbeitserlaubnis
Beim Fremdenverkehrsamt ist eine Stelle frei. Die Leiterin kennt mich und meine Geschichte, wir hatten manchmal miteinander zu tun, wenn sie freie Zimmer gesucht hat. Da mein Italienisch jetzt auch ganz passabel ist, hab ich den Job. Mit Menschen umgehen kann ich gut. Sie hat auch nichts dagegen, wenn ich im Dirndl zur Arbeit komme, das gefällt den Leuten. Die Amerikaner und Chinesen können sowieso nicht zwischen den europäischen Ländern und den dazugehörigen Trachten unterscheiden. Ich bin wieder obenauf, chacka. Wenn eine Tür zufällt, öffnet sich eine neue.
Ich finde sogar eine kleine, möblierte Dachwohnung, 2 Zimmer, Kochecke , Toilette. Bad kann im Haus mitbenutzt werden. Ich hole meine restlichen Kleider bei Vincenzo ab und stelle mit Freude fest, die kleine Nachtigall singt gar nicht mehr. Keine Luft mehr, sie sieht sehr müde aus. Zu allem Glück ist sie auch noch schwanger.
Ich frage Vincenso nach der Scheidung, aber der hat es gar nicht eilig. Na, mir egal, kommt das Balg unehelich auf die Welt. Das war meine Überlegung, später hab ich geschnallt, dass wir eine Gütergemeinschaft hatten. Mir daher die Hälfte von allem gehört, leider auch die Schulden. Ich gehe, verzichte blöderweise auch auf Unterhalt. Es ist immerhin meine Erste Scheidung von einem Schlitzohr. Mein Wolfgang war damals einfach loyaler, ehrlicher.
Im Touristenbüro lebe ich mich gut ein. Die Arbeit macht Spaß und ich hab geregelte Arbeitszeit, gut bezahlt. Abends auf der Promenade treffe ich oft Leute, denen ich tagsüber weitergeholfen habe, die laden mich dann gerne auf ein Glas Wein oder sogar zum Essen ein. Auch die Kollegen, überwiegend Frauen, sind supernett.
Der Bürgermeister hat etwas in Südtirol gesehen, was er auch haben will. Ein Touristenmuseum. An Regentagen müssen wir mehr Alternativen bieten. Was soll denn das sein? Stellen wir da ausgestopfte Murmeltiere und präparierte Holländer aus? Wir lachen uns kaputt, aber der Bürgermeister meint es ernst.
Gina und ich fahren nach Südtirol und checken dieses Touristenmuseum. Gar nicht so schlecht. Es wird über die Region informiert, die Bräuche, das Essen, die Geschichte. Einige Touristen erzählen in Briefen und Bildern, was ihnen hier so gut gefällt. Das kopieren wir.
An der Uferpromenade steht ein altes Kaufhaus, zweigeschossige, mit großen Schaufenstern. Das soll es werden. Der Laden ist eh pleite. Die Outletriesen graben jedem kleinen Laden das Wasser ab. Wir recherchieren und holen uns Exponate aus dem Heimatmuseum. Stöbern in Archiven herum und finden auch brauchbare Sachen.
Dann geht es an die Touristen. Aus den alten Zimmernachweisen suchen wir Stammgäste raus. Schreiben die an und fragen nach Fotos und Anekdoten. Vor allem von früher. Eine Lawine der Bereitschaft überflutet uns. Die meisten hoffen natürlich auf eine Einladung. Soweit haben wir nicht gedacht.
Nach gut zwei Jahren Vorbereitung können wir eröffnen. Ich selbst hab mein Dirndl, Größe 36, gestiftet und die netten Erinnerungen in eine Fotoserie gepackt. Mein Dirndl prangt jetzt auf einer schlanken Schaufesterpuppe, direkt neben dem Eingang. Ich bin stolz auf mich.
Außerdem haben wir holländische Holzschuhe, mit lustigen Geschichten aus dem flachen Land. Wir haben sogar britische Teetassen, schottische Röcke, die hier wohl niemand getragen hat. Ein Stück Stein der Berliner Mauer, da die Leute nach der Öffnung als erstes hier hin gefahren sind, mit dem Trabi. Viele ,viele Fotos und tausend Fotos von dem unvergleichlichen Blick, wenn man aus den Bergen kommt und den See in voller Länge vor sich hat. Auch ein paar selbst gemalte im Oel oder Aquarelle. Junge Leute schleppen alte Surfbretter an und erzählen von den gefährlichen Winden, die unberechenbar sind.
Eingeladen haben wir niemanden, wo will man anfangen, wo ist Schluss?  Aber allen, die etwas brauchbaren beigesteuert haben, haben wir ein Dankschreiben und einen Gutschein über 30€ zugeschickt. Den können die beim nächsten Urlaub einlösen.

Morgen ist Endspurt

Freitag, 19. Juli 2019


Folge  11

Die Küche wurde auch renoviert und Vincenzo hat einen Koch und eine Küchenhilfe eingestellt. Sind zwar  Marokkaner, egal man sieht es kaum und er kann kochen und ist mit weniger Gehalt zufrieden. Hat auch noch einen Neffen, der hilft mit, wenn es brennt, ist aber illegal hier. Das merkt keiner, ob da einer oder drei Marokkaner in der Küche wuseln. Die wohnen in dem kleinen Gartenhaus hinter dem Gemüsegarten. Duschen und Toiletten sind im Keller für die Angestellten.  Vincenzo hat ein Zimmer unter dem Dach für sich eingerichtet. Sehr klein, aber mit großem Bett. Mehr brauche er nicht. Das Hotel läuft gut. Samstags kommt der Bus, läd die Leute aus. Wir haben vier Doppelzimmer und vier Einzelzimmer. Ich sage schon wir, denn wir wollen bald heiraten. Da es sich überwiegend um alleinreisende Damen handelt, sind wir mit den Einzelzimmern sehr gefragt. Die Damen sind hellauf begeistert von einer deutschen Frau im Dirndl empfangen zu werden. Man spricht deutsch. Steht im Reiseprospekt.
Kurz vor Weihnachten heiraten wir. Jetzt bin ich Anfang 40 und Hotelbesitzerin. Wir heiraten im ganz kleinen Kreis. Nur mit Trauzeugen. Vincenzos Familie ist noch immer angepisst. Meine Eltern halten mich für verrückt, die haben sich eh nie um mich gekümmert, hatten immer nur eigene Probleme. Also lad ich die Chefin ein und Vincenso seinen besten Freund Michele. Durch die Heirat erhalte ich Bleiberecht und Arbeitserlaubnis. Ich löse meine Wohnung im Taunus auf und zieh mit Sack und Pack unter das Dach der Villa.
Ich bringe mich und meine Fähigkeiten in den Betrieb ein. Es fühlt sich wunderbar an, wenn man weiß, dass man alles für sich macht und nicht für irgendeinen Chef. Es ist unbestritten viel Arbeit, aber wir sind glücklich. Vincenzo ist überall, vor allem im Service und immer für die Gäste ansprechbar. Er ist charmant und flirtet mit den Damen. Wenn die Gäste auf den Tagestouren sind, machen wir die Zimmer sauber. Das ist praktisch wenn man solche Pauschalgäste hat. Die sind von 10h bis Nachmittag auf Besichtigung. Da haben wir genug Zeit, auch mal für uns. Das Restaurant ist nur in der Hauptsaison über Mittag geöffnet. Am Wochenende, wenn Wechsel ist, haben wir noch Hilfe von zwei Mädchen aus dem Ort, die sich was dazuverdienen. Betten neu beziehen, Zimmer klar machen. Die Bettwäsche bringen wir in eine Wäscherei. Das ist praktisch. In der Zwischensaison fahren wir auch mal weg und lerne Venedig von eine ganz anderen Seite kennen. Diese vielen Inselchen, eine mit diesem herrlichen Friedhof, San Michele. Auch die anderen sind zum Teil noch sehr ursprünglich. Die Touristen kennen nur die paar Hauptinseln, die Hotspots. Der Rest ist weithin unbekannt. Eine Insel hat es mir besonders angetan. Winzig, nur ein kleines Restaurant drauf und ein Garten voller Kunstwerke. Die Traghetti, Stassenbahnen, fahren zu dieser Insel, aber nur Eingeweihte steigen hier aus. Der Anlegesteg ist alt und unansehnlich, aber der Garten dahinter ist ein Märchenpark.
Auch der Lido ist unbeschreiblich schön. Diese Insel hat sogar Straßen. Man kann sein Auto von  Mestre mit der Fähre mit hierher nehmen. Es stehen hier unglaubliche Hotels. Das Westin Grand Hotel ist ein Traum. Die Bediensteten tragen venezianische Rococo Kleidung, verschwenderische Kleider für die Damen. Samtene Hosen und Rüschenhemden für die Herren. Hoteleigene Boote bringen die Gäste von Venedig herüber und gleiten durch einen privaten Kanal zum Anlegesteg, dort erwartet sie ein Mohr, irgendwie rassistisch. Der sieht Original aus wie der berühmte Sarottimohr, mit blau-goldenem Turban und Pluderhosen. Das Hotel ist wie ein Palast eingerichtet, mit Spiegelsaal, Garten, Erkern, Kuppeln  und Dachterrasse mit Zinnen, wie ein hochherrschaftliches Schloss. Die Speisen werden auf sehr teurem Porzellan und Kristall serviert. Am eigenen Strand stehen arabisch anmutende Pavillons, die mit feudalen Möbeln bestückt sind. Ein eigener Bootsanleger bietet alle Möglichkeiten für elitären Wassersport. Der Preis ist auch phantastisch. Eine Nacht kostet so viel, wie eine ganze Woche in unserem kleinen Etablissement. Wir staunen und übernachten in einem anderen Haus.
In unserer Villa läuft es super. Am Anfang des nächsten Jahres bittet der Steuerberater um ein Gespräch. Die Einnahmen decken nicht die hohen Belastungen. Hää. Vincenzo hat alles auf Kredit gebaut. Da das Haus aber nur in den Schönwettermonaten ausgebucht ist, reicht es hinten und vorne nicht. Ob wir denn gar kein Eigenkapital hätten, um umzuschulden. Dann hätten wir die monatlichen Zahlungen reduzieren können. Klar hab ich Geld und er soll das sofort machen, das mit dem Umschulden. Vincenzo strahlt. Gerettet. Ich erzähl das der Chefin, die ist entsetzt. Wie kannst Du Deine Unabhängigkeit so einfach verscherbeln.?.?
Um Kosten zu sparen kaufen wir eine große Industriewaschmaschine und waschen die Wäsche selbst. Dann wird sie draußen aufgehängt, gemangelt und fertig. Das mach ich dann abends, oder zwischendurch, wie ich Zeit finde.
Wir leben in unserem Alltagstrott. Manchmal vergesse ich, dass ich am See all meiner Sehnsüchte lebe. Kaum noch Freizeit. Wenn keine Gäste da sind, muss renoviert, ausgebessert, ausgetauscht werden. Ich war lange nicht mehr in Verona in der Arena, wovon alle schwärmen und weshalb die zum Teil hier sind. Das habe ich vor Jahren einmal gesehen, muss aber keiner von den Gästen wissen. Manchmal bin ich auch einfach froh mal nix zu tun. Auch mal im Liegestuhl liegen, ein Buch lesen oder abends einfach Fernsehen. Vincenzo ist dann viel unterwegs und schaut was die anderen Hotels und Restaurants so neues bieten. Trentessen, darf man nicht verpassen. In einem Jahr sind es Bruscchetta im nächsten Carpaccio, dann mal irgendein Fisch Tartar. Ruccola ist angesagt. Die Gerichte werden einfacher ursprünglicher, aber teurer. Für unsere Pauschaltouristen bleibt es beim althergebrachten. Leichtes Essen für ältere Leute, kleine Portionen, viel Deco und Klimbim.
Die Jahre ziehen vorbei. Wir sitzen wie auf einem Karusell. Immerwieder die selbe Runde.
Im Sommer arbeiten, im Winter renovieren, reparieren. Mal ausspannen, mal ein kleiner Ausflug.
Ich frag irgendwann mal nach, ob wir im Winter mal Urlaub machen könnten. Vincenzo grinst, klar, wir können in den Taunus, hahaha. Mal umgekehrt. Ich bin not amused.
Ich bin mittlerweile Mitte 50. Die Jahre sind an uns vorbeigerannt. Unsere Ehe schläft. Aber der Laden läuft. Wir können jetzt über Rücklagen nachdenken.
Dann passiert es. Ein Sommergewitter reißt uns das Dach vom Kopf, mitten in der Saison. Wir sind nicht ausreichend versichert. Es muss alles schnell repariert werden. Die oberen Zimmer sind unbewohnbar. Der starke Regen hat auch die Decken in den unteren Etagen erreich. Die Tapete hängt in Wellen herab. Jeder ausgefallene Tag kostet uns doppelt. Keine Einnahmen und Ausfallentschädigung für den Reiseveranstalter . Und wir fallen 6 Wochen aus. Keine ausreichende Versicherung. Wir sind pleite.
Den Koch und seine Helfer müssen wir schweren Herzens entlassen. Dafür stellen wir eine Küchenhilfe ein, eine Bulgarin. Sie war mal Sängerin in einer Band. Sie trällert den ganzen Tag, Vincenzo gefällt das.
Die Rezeption und den Service übernehme ich.
Es ist unglaublich viel Arbeit, die nie ein Ende anzeigt. Du bist immer eine Stunde hintendrein. Morgens Frühstück machen, dann die Tische abräumen und für den Mittag zurechtmachen. Manchmal kommen Tagesgäste zum Essen. Vincenzo war in der Zeit auf dem Markt, die Küchenhilfe singt und spült. Dann muss ich die Zimmer machen, Wäsche waschen. Buchhaltung wenn wer innerhalb der Woche ein-oder auscheckt. Mittagessen servieren, smalltalk.....jaja das Wetter, blablabla.  Nachmittags mangeln, Wäsche wegsetzen, später die Gäste wieder empfangen und smalltalk..... war‘s schön? Tolle Fahrt, jaja Verona ist ein Traum...........an den meisten Orten war ich zuletzt als Kind mit meinem Vater. Die vergangenen Jahre war dazu keine Zeit mehr.
Nachdem ich das Abendessen serviert habe, warte ich dann an der Bar auf meine liebsten Gäste. Pauschaltouristen sind pflegeleicht, aber geizig. Die glauben das sei alles inclusive.
Bei der Halbpension ist Frühstück und Abendessen, inclusive einem Glas Wein.
Die meisten Sparbrötchen bringen dann ihre Wasserflasche vom Ausflug mit an den Tisch und verdünnen den Wein bis zur Unkenntlichkeit. Danach ab ins Bett, oder auf den Balkon und eine im Supermarkt gekaufte Flasche Wein geköpft. Es gibt aber auch ein paar Schätzchen, die noch einen Espresso und einen Grappa nehmen. Dann auch noch ein Glaserl Wein. Manche sind dann so anhänglich und erzählen und erzählen und erzählen, „aufregende“ Begebenheiten aus ihrem Leben. Mir fallen ab 22 h die Augen zu. Die Küchenhilfe singt nicht mehr, also ist die auch schon im Bett. Vincenzo erscheint kurz, trinkt einen Grappa mit den Gästen, natürlich aufs Haus, mir hams ja, dann ist auch er weg. Ich muss bleiben, bis die letzte Sabbelschnute geht. Gute Nacht Gardasee.


Morgen geht es weiter.......................

Donnerstag, 18. Juli 2019


Folge 10

Am nächsten Morgen fahre ich weiter zum Gardasee. Als ich oben vom Paso St. Vincente aus den Bergen komme und den See vor mir habe, springt mir das Herz fast aus dem Mieder. Hier will ich sterben. Ein blöder Wunsch, wie sich Jahre später herausstellt.
In der Hotelvilla angekommen, werde ich misstrauisch begrüßt. Vincenso ist einkaufen. Ich bekomme ein kleines Zimmer zur Straße hin. So war das nicht verabredet. Bestellt hatte ich das große Zimmer mit Terrasse, schon wegen dem extra Zugang. Na, warten wir mal ab.
Wie sich herausstellte hat die Mutter dieses Zimmer nun belegt. Das Doppelbett, unser Doppelbett, ist einem Krankenbett gewichen. Sie wird wohl bald sterben. Im Hotel und im Restaurant herrscht chaotische Betriebsamkeit. Es fehlt der Feldwebel, der allen sagt, was gemacht werden muss. Zu allem Übel hat auch noch der Koch gekündigt, ihm war das alles zu unorganisiert und die Bezahlung zu schlecht. Jetzt kocht Vincenco, kauft für die Küche ein und ist völlig überfordert. Ich sehe ihn kaum. Er schleicht sich nachts in mein Zimmer und schläft direkt danach ein. Fast wie bei Verheirateten. Früh muss er raus Frühstück vorbereiten. Dann auf den Markt und in die Fischhalle. Dann vorbereiten, Mittagsmenue kochen,  Abendmenuekarte schreiben.........
Nix läuft rund. Das Hotel ist renovierungsbedürftig, ständig ist irgendetwas kaputt. Der Service entspricht nicht mehr dem gewünschtem Standard. Auch ausländische Gäste schätzen jetzt die gehobene italienische Küche. Von den ehemals vier Sternen sind noch mit zugekniffenen Augen, drei übrig. Wenn die tolle Lage nicht wäre und die treuen Stammgäste, würde hier keiner mehr absteigen. Die Geschwister streiten nur noch.
Ich fahre nach zwei Wochen mit gemischten Gefühlen heim.
Zu Hause erwartet mich die nächste Überraschung. Die Chefin ist ausgezogen. Sie hat die Nase voll. Sie ist nach Tegernsee gezogen und arbeitet in dort in der Filiale eines Münchner Trachtengeschäfts als Geschäftsführerin. Der Alte wünscht ihr die Pest an den Hals. Er hat keine Ahnung von der Buchhaltung, vom Einkauf, er war die vergangenen Jahre nur Chef. Er fragt mich, ob ich das machen könne. Ohhh neee, Mathe war nie meine Stärke. Ich besuche Kurse und lass mir vom Steuerberater helfen. Ich schau immer, wie die Chefin das im vergangenen Jahr gemacht hat und geb mein Bestes. Dabei fallen mir komische Buchungen in die Finger. Zahlungen an Berater, Provisionen für Vermittler, Bewirtungsbelege in schwindelerregender Höhe für Gesellschaftsjagden. Weihnachtsgeschenke an Stammkunden ???? Alles aus der Kasse, also bar bezahlt.
Am Ende des Jahres fragt der Steuerberater, warum ich keine Bewirtungsbelege und Geschenke abgesetzt habe. Fahrtkosten nach München etc. OK, reich ich nach, ich lerne schnell dazu.
Weihnachten kommt Vincenco in den Taunus. La Mama ist Mitte Dezember gestorben. Deshalb haben sie auch Betriebsferien gemacht. Die Handvoll Stammgäste hat Verständnis dafür. Was soll jetzt aus der Villa werden?  Die Brüder wollen verkaufen und mit ihren Familien neu anfangen. Vincenco will das nicht. Er ist ziemlich deprimiert.
Als ich an Ostern am Gardasee ankomme ist viel passiert. La Mama hat in ihrem Testament festgelegt, dass das Erbe durch vier geteilt wird und derjenige , der das Geschäft weiterführt, zwei von diesen 4 Vierteln erhält. Die anderen beiden je ein Viertel. Gut gedacht. Aber schon geht der Krach los. Plötzlich wollen alle das Hotel weiterführen, Familienbesitz, blablabla. Jeder für sich kann das nicht stemmen. Gemeinsam geht es gar nicht mehr. Wie heißt es noch? Redest Du noch mit Deiner Familie, oder hast Du geerbt.
Ich verbringe zwei verregnete Wochen dort, zwischen der zerstrittenen Familie.
Ebenfalls deprimiert komme ich nach Hause. Das Geschäft läuft mehr als schlecht. Auch weil der Landhausstyle nicht mehr gefragt ist.  Der Alte ist bissig und säuft ständig. Ich langweile mich im Laden rum. Wir verkaufen nix, daher brauchen wir auch keine neue Ware. Keine Messebesuche, tote Hose.
Ich ruf die Chefin an und bitte um Rat. Sie sagt, ich soll die Koffer packen und nach Tegernsee kommen. Sie hätte einen Job für mich. Neee , ich kann den Alten und sein sinkendes Schiff nicht im Stich lassen. Sie sagt nur, mach was Du meinst.
Im Herbst am Gardasee werde ich überrascht. Vincenso hat es geschafft. Er ist alleiniger Inhaber des Hotels. Er hat seine Brüder ausbezahlt und mit einem Reiseveranstalter einen Deal gemacht. Die bieten ihm garantierte Zahlungen, auch bei Nichtbelegung. Super. Allerdings muss er total renovieren. Dafür hat er Kredite aufgenommen. Jetzt muss er mal richtig hinklotzen. Vieles will er in Eigenleistung machen, Hilfe von Freunden, Schwarzarbeitern. Kenn ich irgendwie. Ich erzähl ihm von unserem Hausbau und allem. Auch, dass ich einiges Geld angelegt habe, vom Verkauf des gemeinsamen Hauses..........
Im Hintertaunus ist nix besser geworden, weder der Umsatz noch die Laune vom Chef. Oft muss ich Rechnungen, Versicherungsbeiträge, Steuern, aufschieben, weil kein Geld da ist. Wir sind am Ende. Ich hab keine Ahnung wie es weitergehen soll.
Diese Weihnachten bin ich am Gardasee. Die Villa hat sich verändert. Schick ist alles geworden. Jedes Zimmer hat ein kleines Bad. Alles ist neu gestrichen und tapeziert. Der Fliesenboden aufgearbeitet, alles blinkt und blitzt. Ich habe ein paar Vorschläge für die Innendeco, Gardinchen, Teppiche. Er freut sich über mein Interesse und ich darf die Bettwäsche und Handtücher aussuchen. Er ist erstaunt, wie ich mit den Großhändlern verhandele und Nachlässe heraushole. Das kenn ich von den Messen, sag ich ihm.
An Silvester macht er mir einen Heiratsantrag. Er versteckt einen Ring, ein Familienerbstück, im Dessert, wie romantisch.  Ich schwebe.
Zurück im Hintertaunus erwartet mich das Chaos schlechthin. Die Putzfrau kommt nicht mehr, weil sie schon seit Wochen kein Geld mehr bekommen hat. Der Gerichtsvollzieher hat sich angekündigt. Alles kommt unter den Hammer. Ich mache mit dem Insolvensverwalter  zwei Monate lang eine Aufstellung über den Warenbestand. Bezahlt werde ich noch bis Ende März, dann ist Schluss. Der Alte zieht zu seiner Schwester in den Nachbarort, na die wird ihren Spaß haben. Die mochte ihn schon nicht als er noch Geld hatte. Aber auf dem Dorf muss man da über seinen Schatten springen und Verwandte in ihrer Not aufnehmen, „was solle sonst die Leut denke.“
Ich bin jetzt erst mal arbeitslos und fahre an den Gardasee.

Morgen geht es weiter........

  Montag, 06.10.2025, Salt Lake City, Früh um 9 h starten wir schon. Unser Ziel ist der große Salzsee. Da wurden früher Geschwindigkeitsreko...